Aufgrund der zahlreichen [in der Schweiz] ansässigen internationalen Organisationen wird die Schweiz oft als die Hauptstadt der Menschenrechte bezeichnet.
Für die hier lebenden Uigur:innen und Tibeter:innen, ist die Schweiz aber auch ein Ofrt, an dem sie oft mit transnationaler Repression konfrontiert sind. Sie haben das Gefühl, der Überwachung, Einschüchterung und Bedrohung durch China nicht entkommen zu können.
«Wir sind uns bewusst, dass wir überwacht werden, vor allem im Internet», sagt Arya Amipa gegenüber SWI swissinfo.ch. Er lebt in der Schweiz und ist Co-Präsident des Vereins Tibeter Jugend in Europa.
«Wir erhalten immer wieder verdächtige E-Mails, in denen wir aufgefordert werden, vertrauliche Daten, wie die Erneuerung unserer E-Mail-Passwörter an jemanden zu senden, der auf den ersten Blick wie unser E-Mail-Provider aussieht. Erst bei genauerem Hinsehen stellt man fest, dass sich die E-Mail-Adresse ändert, wenn man mit der Maus darüberfährt.»
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[Ein kürzlich vom Schweizer Bundesrat veröffentlichter Bericht, der auf den Ergebnissen einer von der Schweizer Regierung in Auftrag gegebenen Studie der Universität Basel basiert] kommt zum Schluss, dass mit «hoher Wahrscheinlichkeit» Mitglieder der tibetischen und uigurischen Gemeinschaften in der Schweiz «systematisch von Akteuren aus China überwacht, bedroht und vereinnahmt» werden.
Die Schweizer Regierung fügt hinzu, dass «das Ausmass und die Intensität der in diesem Forschungsbericht identifizierten Formen von Druck eher unter- als überschätzt werden».
Dies liegt unter anderem daran, dass die Täter oft im Verborgenen agieren und die Opfer Repressalien fürchten, wenn sie über ihre Erfahrungen sprechen.
[In dem Bericht des Schweizer Bundesrates werden auch] die umfassenden Überwachungs- und Druckmassnahmen chinesischer Behörden gegen in der Schweiz lebende Tibeter:innen und Uigur:innen detailliert beschrieben.
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Die transnationale Repression durch China ist im letzten Jahr zu einem heissen Thema geworden, doch das Phänomen ist nicht neu. Einige westliche Regierungen haben in den letzten Jahren Schritte unternommen, um das Problem wirksamer anzugehen.
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Der Weltkongress der Uiguren:innen bestätigt, dass Uigur:innen im Ausland zunehmend grenzüberschreitenden Repressionen ausgesetzt sind, und zwar durch Überwachungstechnologien wie WeChat und die Integrated Joint Operations Platform (IJOP), ein auf Big-Data-Analysen basierendes Polizeiprogramm in Xinjiang, durch Belästigungen per Video- und Telefonanrufe, Malware, Spyware, Hacking und Spionage.
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Jahrzehntelang verfolgte die Schweiz gegenüber China den Ansatz «Wandel durch Handel». Die Schweiz glaubte, dass der Handel zu positiven Veränderungen führen würde, insbesondere zu einer stärkeren Beachtung der Menschenrechte, während sich China allmählich öffnen würde.
Die letzten zehn Jahre haben jedoch gezeigt, dass das Gegenteil der Fall ist. **Chinas Umgang mit Tibeter:innen und Uigur:innen, auch in der Diaspora, hat sich drastisch verschlechtert. ** In Bezug auf das Verhalten der Schweizer Behörden weist der Forschungsbericht darauf hin, dass eine wahrgenommene Verschärfung der Restriktionen für friedliche Demonstrationen und Asylpraktiken eine Form von Druck darstellt.
Zum Beispiel wurde früher in den Dokumenten von Tibetern:innen in der Schweiz als Herkunftsland «staatenlos» angegeben. Heute steht dort «China».
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Die Schweiz ist neben Island und Serbien das einzige europäische Land, das ein Freihandelsabkommen mit China abgeschlossen hat.
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Obwohl die Schweizer Regierung mehrere Treffen mit den betroffenen Gemeinschaften im Land abgehalten hat, die unter der transnationalen Repression durch China leiden, teilte die Schweizerische Gesellschaft für Tibeterfreundschaft SWI swissinfo.ch mit, dass ihr «keine konkreten Massnahmen der Schweizer Regierung bekannt sind».
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Für [die Betroffenen] genügt es jedoch nicht, die Realität der transnationalen Repression der Tibeter und der uigurischen Diaspora anzuerkennen. «Die Schweiz muss jetzt handeln. Diese Dinge werden weiter passieren, solange China keine Konsequenzen fürchtet.»